Fachmann, Funktionär – und Mensch: Wolfgang Bretschneider am 12. März 2021 verstorben

Mitten in eine (Online-)Sitzung unseres Arbeitskreises platzte die Nachricht vom Tod Msgr. Wolfgang Bretschneiders nach kurzer, schwerer Erkrankung. Am 7. August wäre er 80 Jahre alt geworden. Da er mit einigen AK-Mitgliedern über viele Jahre freundschaftlich verbunden war, machte die Nachricht persönlich traurig und betroffen.

Mit seiner Fähigkeit, Musik und Liturgie integrierend zu verbinden, beteiligte sich Wolfgang Bretschneider maßgeblich an richtungsweisenden Entwicklungen im Bereich der Kirchenmusik und der liturgischen Gestaltung von Gottesdiensten. „Er liebte die klassische Literatur der Kirchenmusik und förderte zugleich das neue geistliche Liedgut. Damit hat er einen wesentlichen Beitrag für die hohe Qualität der Kirchenmusik in Deutschland geleistet“, resümiert der Bonner Stadtdechant Dr. Picken in einem Nachruf.1 Was hier notwendigerweise nur „unter anderem“ erwähnt wird, war für uns als AK SINGLES natürlich entscheidend.

Für die, die Wolfgang Bretschneider nicht so gut kannten, hier zunächst stichwortartig die wichtigsten Daten aus seiner Vita:

Geboren am 7. August 1941, aufgewachsen in Bad Godesberg. Studium der Philosophie, Theologie, Musikwissenschaft und Pädagogik in Bonn und München. Promotion in Musikwissenschaften. Priesterweihe 1967. Nach kurzer Zeit als Kaplan in Neuss wieder zurück nach Bonn, wo er bis zu seinem Tod am 12.3.2021 Wohn- und Wirkungsfeld hatte. 1969 bis 1997 in die Priesterausbildung des Collegium Albertinum in Bonn berufen. 1977 bis 2011 zusätzlich Lehrtätigkeit am Kölner Priesterseminar. 1982 zum „Kaplan seiner Heiligkeit“ (Monsignore) ernannt. Ab 1987 wechselnde Professu-ren und Dozententätigkeiten für Liturgik und Musikkirchengeschichte an den Universitäten in Düsseldorf, Köln und Bonn. Langjähriger Vorsitzender des Diözesanen und des Deutschen Caecilienverbandes (1991 bis 2018). Mitglied in zahlreichen Kommissionen und Arbeitskreisen zu Kirchenmusik und Liturgie. Seit 1984 Berater der Liturgie- und Musikkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Musikalische Ausgestaltung vieler kirchlicher Großereignisse, wie Katholikentage und Papstbesuche. Nicht zu zählen sein Konzertätigkeit als Organist. Mitarbeit an Gebet- und Gesangbüchern der vergangenen Jahrzehnte, darunter das 2013 erschienene neue Gotteslob. 2003 Bundesverdienstkreuz. Seit 1997 Subsidiar am Bonner Münster. Verstorben am 12. März 2021.

Diese Auflistung und allein schon seine Namenstitulatur „Msgr. Prof. Dr.“ könnten ihn als einen etwas abgehobenen Funktionär erscheinen lassen. Ein falscher Eindruck, denn alle, die mit ihm zu tun hatten, bescheinigen ihm einen feinen Humor und große Bescheidenheit ohne klerikales oder künstlerisches Gehabe. Er war ein tiefgläubiger, gleichwohl kritisch fragender Christ, ein menschenfreundlicher Priester und begnadeter Musiker in großartiger Symbiose. Sein Glaube und seine Theologie waren geprägt von der Volk-Gottes-Theologie des II. Vatikanischen Konzils. Musik, besonders das Spielen der Orgel war für ihn Medium der Gotteserfahrung und der Verkündigung des Gottesreiches.

Ein Glücksfall für den AK SINGLES war Wolfgang Bretschneiders Mitarbeit in der Liedblattredaktion (seit Beginn 1976 bis 1988). Wir profitierten von seiner breiten musikalischen Bildung, aufgrund derer er auch Lieder in die Redaktion einbrachte, die außerhalb des seinerzeitigen Sacro-Pop-Mainstreams lagen.

Mehrfach konnten wir, über sein Fachlichkeit hinaus, vom Umstand profitieren, dass er aufgrund seiner überregionalen Funktionen und Positionen eine, wie man so sagt, „einflussreiche Persönlichkeit“ in der bundesdeutschen Kirchenmusikszene darstellte.
Durch seine Initiative und entschiedene Mitarbeit entstand die erste bundesweit wirksame Sammlung von NGLs im Liederheft zum Katholikentag in Düsseldorf 1982 „Kehrt um und glaubt – erneuert die Welt“. Dieses Büchlein erreichte im Nachgang zum Katholikentag, dann vertrieben vom Erzbistum Köln, die sagenhafte Auflage von fast einer halben Million.
Wolfgang Bretschneider war auch der Türöffner, dass dem AK SINGLES in dem beim Katholikentag in Aachen 1986 erstmals eingerichteten „Zentrum Liturgie und Kirchenmusik“ die ungewöhnliche Ehre zuteil wurde, das NGL als einen quasi gleichberechtigten und vor allem ernstzunehmenden Teil der Kirchenmusik darzustellen. Hier und bei den folgenden vier Katholikentagen gestalteten wir einen Informations- und Verkaufsstand, Workshops und Gebetszeiten mit Jugendchören aus dem Erzbistum Köln.

Der AK SINGLES ist glücklich, Wolfgang Bretschneider noch „rechtzeitig“ für ein Grußwort zu seiner 50-Jahr-Festschrift 2021 gewonnen zu haben. Es schließt mit dem wegweisenden Satz: „Ich wünsche allen, denen das ‚Neue Lied’ auch in Zukunft ein Herzensanliegen ist, das, was Ludwig van Beethovens größter Wunsch war: ‚Die Leute sollen nicht weinen vor Rührung, sondern Musik soll Feuer aus den Köpfen schlagen.’“ Er hat damit, bewusst oder unbewusst, auch Bezug auf ein NGL genommen: „Schlagt Feuer aus dem Wort, setzt die Sprache in Brand, legt euch quer (setzt euch ein)!“2

für den Arbeitskreis SINGLES im BDKJ Erzdiözese Köln
März 2021
Peter Deckert mit Raymund Weber


1 https://www.domradio.de/themen/erzbistum-koeln/2021-03-12/brueckenbauer-zwischen-glaube-und-musik-trauer-um-theologen-und-organisten-wolfgang-bretschneider
2 T: Thomas Laubach, M: Thomas Nesgen